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Kirchengesetz
zum Schutz vor sexualisierter Gewalt

vom 23. Januar 2021

(Ges. u. VOBl Bd. 17 Nr. 7 S. 245)

Änderungen
Lfd.
Nr.
Änderndes Recht
Datum
Fundstelle
Paragrafen
Art der
Änderung
1
Erstes Kirchengesetz
zur Änderung des Kirchengesetzes
zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in der Lippischen Landeskirche
15. November 20211#
§ 5 Abs. 1 Ziff. 1
ergänzt
2
Berichtigung des Erstes Kirchengesetz
zur Änderung des Kirchengesetzes
zum Schutz vor sexualisierter Gewalt
§ 5 Abs. 1 Ziff. 1
berichtigt
3
erste Notverordnung zur Änderung
des Kirchengesetzes zum Schutz vor sexualisierter Gewalt
4. November 2025
§ 6 Abs. 3
§ 7 Abs. 3 Nr. 6
§§ 9 bis 11
§ 13
bisheriger §13
geändert
geändert
neu gefasst
eingefügt
wird §14
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Die 37. ordentliche Landessynode hat auf Ihrer Tagung am 22./23. Januar 2021 folgendes Kirchengesetz beschlossen, das hiermit bekannt gegeben wird:
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Präambel

Aus dem christlichen Menschenbild erwachsen die besondere Verantwortung und der Auftrag, Menschen im Wirkungskreis der evangelischen Kirche vor sexualisierter Gewalt zu schützen und ihre Würde zu bewahren. Dies gilt insbesondere für Kinder, Jugendliche und hilfe- und unterstützungsbedürftige Menschen sowie Menschen in Abhängigkeitsverhältnissen (Minderjährige und Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen). Die Lippische Landeskirche setzt sich mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und ihren Gliedkirchen für einen wirksamen Schutz vor sexualisierter Gewalt ein; gemeinsam wirken sie auf Aufklärung und Hilfe zur Unterstützung Betroffener hin. Der kirchliche Auftrag verpflichtet alle in der Kirche Mitwirkenden zu einer Haltung der Achtsamkeit, der Aufmerksamkeit, des Respekts und der Wertschätzung sowie der grenzachtenden Kommunikation durch Wahrung persönlicher Grenzen gegenüber jedem Mitmenschen.
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§ 1
Zweck und Geltungsbereich

( 1 ) Dieses Gesetz regelt Anforderungen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und nennt Maßnahmen zu deren Vermeidung und Hilfen in Fällen, in denen sexualisierte Gewalt erfolgt.
( 2 ) Die Landeskirche wirkt darauf hin, dass die Regelungen dieses Gesetzes entsprechend im Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. und den zugeordneten Einrichtungen zur Anwendung gebracht werden.
( 3 ) Weiter gehende staatliche Regelungen bleiben unberührt.
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§ 2
Begriffsbestimmung sexualisierte Gewalt

( 1 ) Nach diesem Gesetz ist eine Verhaltensweise sexualisierte Gewalt, wenn ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird. Sexualisierte Gewalt kann verbal, nonverbal, durch Aufforderung oder durch Tätlichkeiten geschehen. Sie kann auch in Form des Unterlassens geschehen, wenn der Täter oder die Täterin für deren Abwendung einzustehen hat. Sexualisierte Gewalt ist immer bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB) und § 201a Absatz 3 oder §§ 232 bis 233a StGB in der jeweils geltenden Fassung gegeben.
( 2 ) Gegenüber Kindern, das heißt gegenüber Personen unter 14 Jahren, ist sexuell bestimmtes Verhalten stets als unerwünscht im Sinne des Absatzes 1 anzusehen. Gegenüber Minderjährigen ist sexuell bestimmtes Verhalten insbesondere dann unerwünscht im Sinne des Absatzes 1, wenn gegenüber der Täterin oder dem Täter eine körperliche, seelische, geistige, sprachliche oder strukturelle Unterlegenheit gegeben ist und damit in diesem Verhältnis die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung fehlt.
( 3 ) Gegenüber Volljährigen ist sexuell bestimmtes Verhalten insbesondere unerwünscht im Sinne des Absatzes 1, wenn die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist.
( 4 ) Unangemessenen Verhaltensweisen, die die Grenze der sexualisierten Gewalt nicht überschreiten, ist von Vorgesetzten und anleitenden Personen durch geeignete Normen, Regeln und Sensibilisierung, insbesondere im pädagogischen und pflegerischen Alltag, entgegenzutreten.
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§ 3
Mitarbeitende

Mitarbeitende im Sinne dieses Gesetzes sind in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienst- oder Arbeitsverhältnis oder zu ihrer Ausbildung Beschäftigte sowie ehrenamtlich Tätige.
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§ 4
Grundsätze

( 1 ) Wer kirchliche Angebote wahrnimmt oder als mitarbeitende Person im Geltungsbereich dieses Gesetzes tätig ist, ist vor allen Formen sexualisierter Gewalt zu schützen.
( 2 ) Mitarbeitende, in deren Aufgabenbereich typischerweise besondere Macht-, Abhängigkeits- und Vertrauensverhältnisse entstehen, wie z. B. in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie in Seelsorge- und Beratungssituationen, sind zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Nähe und Distanz verpflichtet. Sexuelle Kontakte in diesen Verhältnissen sind mit dem kirchlichen Schutzauftrag unvereinbar und daher unzulässig (Abstinenzgebot).
( 3 ) Alle Mitarbeitenden haben bei ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit das Nähe- und Distanzempfinden des Gegenübers zu achten (Abstandsgebot).
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§ 5
Einstellungs- und Tätigkeitsausschluss

( 1 ) Für privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Beschäftigungsverhältnisse gelten folgende Grundsätze:
  1. Für eine Einstellung im Geltungsbereich dieses Gesetzes kommt nicht in Betracht, wer rechtskräftig wegen einer Straftat verurteilt worden ist, die nach den Vorschriften des SGB VIII in der jeweils geltenden Fassung von der Beschäftigung zur Wahrnehmung der Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe bei einem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ausschließt.
  2. Während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses stellt jede Ausübung von sexualisierter Gewalt im Sinne von § 2 oder ein Verstoß gegen das Abstinenzgebot eine Verletzung arbeits- bzw. dienstrechtlicher Pflichten dar. Die Ausübung von sexualisierter Gewalt oder der Verstoß gegen das Abstinenzgebot sowie der Verdacht darauf führen zu den jeweils entsprechenden arbeits- bzw. dienstrechtlichen Maßnahmen.
  3. Kommt es während des Beschäftigungsverhältnisses zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat nach Nr. 1 oder wird eine solche Verurteilung bekannt, ist nach Maßgabe des jeweiligen Rechts die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses anzustreben oder, sofern sie kraft Gesetzes eintritt, festzustellen. Kann das öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Beschäftigungsverhältnis nicht beendet werden, darf die betreffende Person keine Aufgaben wahrnehmen, die insbesondere die Bereiche
    1. Schule, Bildungs- und Erziehungsarbeit,
    2. Kinder- und Jugendhilfe,
    3. Pflege durch Versorgung und Betreuung von Menschen aller Altersgruppen,
    4. Verkündigung und Liturgie, einschließlich Kirchenmusik,
    5. Seelsorge und
    6. Leitungsaufgaben
    zum Gegenstand haben oder in denen in vergleichbarer Weise die Möglichkeit eines Kontakts zu Minderjährigen und zu Volljährigen in Abhängigkeitsverhältnissen besteht.
( 2 ) Für ehrenamtlich Tätige gilt Absatz 1 entsprechend.
( 3 ) Mitarbeitende müssen bei der Anstellung ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a Bundeszentralregistergesetz (BZRG) in der jeweils geltenden Fassung und nach der Anstellung in regelmäßigen Abständen von längstens fünf Jahren vorlegen. Soweit sie ehrenamtlich tätig sind, müssen sie das erweiterte Führungszeugnis abhängig von Art, Intensität und Dauer des Kontakts mit Minderjährigen und Volljährigen in Abhängigkeitsverhältnissen in gleicher Weise vorlegen. Für Mitglieder rechtsvertretender Leitungsorgane gilt Satz 2 ungeachtet des Kontakts zu Minderjährigen und Volljährigen in Abhängigkeitsverhältnissen immer. Das rechtsvertretende Leitungsorgan entscheidet in allen anderen Fällen, ob nach Art, Intensität und Dauer des Kontakts zu den genannten Personengruppen ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen ist.
( 4 ) Die Regelungen zu Verwertungsverboten des BZRG sind zu beachten.
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§ 6
Maßnahmen im Umgang mit sexualisierter Gewalt

( 1 ) Leitungsorgane im Geltungsbereich dieses Gesetzes sind jeweils für ihren Bereich verantwortlich,
  1. institutionelle Schutzkonzepte auf Grund einer Risikoanalyse zum Schutz vor sexualisierter Gewalt mit dem Ziel zu erstellen, strukturelle Maßnahmen zur Prävention dauerhaft zu verankern (Präventionsmaßnahmen),
  2. bei begründetem Verdacht auf sexualisierte Gewalt angemessen im Rahmen strukturierter Handlungs- und Notfallpläne zu intervenieren (Interventionsmaßnahmen),
  3. Betroffene, denen von Mitarbeitenden Unrecht durch sexualisierte Gewalt angetan wurde, in angemessener Weise zu unterstützen (individuelle Unterstützungsmaßnahmen),
  4. Ursachen, Geschichte und Folgen sexualisierter Gewalt aufzuarbeiten, wenn das Ausmaß des Unrechts durch Mitarbeitende dazu Anlass bietet (institutionelle Aufarbeitungsprozesse).
( 2 ) Die Landeskirche soll die Leitungsorgane und Einrichtungsleitungen durch Rahmenkonzepte gegen sexualisierte Gewalt unterstützen, die auch einen Überblick über Präventionsangebote und -instrumente und eine Weiterentwicklung bestehender Angebote ermöglichen.
( 3 ) Leitungsorgane sind insbesondere verpflichtet, folgende Maßnahmen umzusetzen. Das erfolgt in der Regel im institutionellen Schutzkonzept::
  1. einrichtungsspezifische Verankerung der Verantwortung zur Prävention,
  2. Erstellung einer Potenzial- und Risikoanalyse,
  3. Beschluss eines Einrichtungs- und arbeitsfeldspezifischen Verhaltenskodex,
  4. Vorhalten von Fortbildungen für grundsätzlich alle Mitarbeitenden zur Prävention vor sexualisierter Gewalt, insbesondere zum Nähe-Distanz-Verhalten und zur grenzachtenden Kommunikation,
  5. Anbieten von Partizipations- und Präventionsangeboten sowie Erstellung sexualpädagogischer Konzepte für die Arbeit mit Minderjährigen unter Beteiligung und Einbeziehung der Erziehungsberechtigten, Betreuerinnen, Betreuer oder Vormünder,
  6. Einrichtung transparenter Beschwerdeverfahren,
  7. Bereitstellen von Notfall- oder Handlungsplänen, die ein gestuftes Vorgehen bei einem Verdacht auf sexualisierte Gewalt vorsehen.
( 4 ) Das Leitungsorgan soll von allen Mitarbeitenden Selbstverpflichtungserklärungen einholen.
( 5 ) Mitarbeitende sind verpflichtet, das Schutzkonzept zu beachten, dem Verhaltenskodex zuzustimmen und grundsätzlich in regelmäßigen Abständen an einer Fortbildung zur Prävention von sexualisierter Gewalt teilzunehmen.
( 6 ) Mitarbeitende sind in geeigneter Weise auf ihre aus diesem Gesetz folgenden Rechte und Pflichten hinzuweisen. Verpflichtungen nach den Vorschriften des staatlichen Rechts zum Schutz Minderjähriger und Volljähriger in Abhängigkeitsverhältnissen bleiben unberührt.
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§ 7
Melde- und Ansprechstelle, Stellung und Aufgaben

( 1 ) Zur Unterstützung bei der Umsetzung und bei der Koordination der Aufgaben nach § 6 wird eine Stelle oder werden mehrere Stellen als Melde- und Ansprechstelle für Fälle sexualisierter Gewalt eingerichtet. Es können eine Stelle oder mehrere Stellen gliedkirchenübergreifend mit der Aufgabenwahrnehmung betraut werden; ebenso können Kooperationen mit gliedkirchlichen diakonischen Werken eingegangen werden.
( 2 ) Die Melde- und Ansprechstelle ist eine dem Schutz Betroffener verpflichtete Stelle und nimmt eine betroffenenorientierte Haltung ein. Die Meldestelle ist verpflichtet, Hinweisen auf Strukturen nachzugehen, die geeignet sind, Täter oder Täterinnen zu schützen. Sie nimmt ihre Aufgaben selbstständig und bei der Bearbeitung von Meldungen sexualisierter Gewalt frei von Weisungen wahr. Sie ist mit den erforderlichen Ressourcen auszustatten.
( 3 ) Der Melde- und Ansprechstelle können unbeschadet der rechtlichen Verantwortung und der Zuständigkeiten des jeweiligen Leitungsorgans oder der jeweiligen Einrichtungsleitung insbesondere folgende Aufgaben übertragen werden: Sie
  1. berät bei Bedarf die jeweilige für die Leitung zuständige Stelle in Fragen der Prävention, Intervention, Unterstützung und Aufarbeitung und koordiniert entsprechende Maßnahmen,
  2. unterstützt Leitungsorgane bei der Präventionsarbeit, insbesondere durch die Implementierung und Weiterentwicklung von Schutzkonzepten, und geht Hinweisen auf Strukturen nach, die geeignet sind, Täter oder Täterinnen zu schützen,
  3. entwickelt Standards für die Präventionsarbeit, erarbeitet Informationsmaterial, entwickelt Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote zur Prävention und koordiniert hierzu die Bildungsarbeit,
  4. unterstützt die Leitungsorgane bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt im Rahmen des jeweils geltenden Notfall- und Handlungsplanes,
  5. nimmt Meldungen über sexualisierte Gewalt entgegen und sorgt dafür, dass diese bearbeitet und notwendige Maßnahmen der Intervention und Prävention veranlasst werden,
  6. nimmt Anträge Betroffener auf Leistungen zur Anerkennung erlittenen Leids entgegen und leitet diese an die Anerkennungskommission zur Entscheidung weiter,
  7. sorgt dafür, dass die Einwilligung Betroffener vorliegt, wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden,
  8. koordiniert ihre Aufgaben auf gesamtkirchlicher Ebene, indem sie in der Konferenz für Prävention, Intervention und Hilfe in Fällen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung auf der Ebene der EKD mitarbeitet,
  9. wirkt mit der Zentralen Anlaufstelle.help der EKD zusammen.
( 4 ) Arbeits- und dienstrechtliche Zuständigkeiten und Verpflichtungen aus den privat- und öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnissen bleiben von den Maßgaben der Absätze 1 bis 3 unberührt. Unberührt bleiben auch gesetzliche Melde- oder Beteiligungspflichten, die sich insbesondere aus Vorschriften des Kinder- und Jugendschutzes ergeben.
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§ 8
Meldepflicht in Fällen sexualisierter Gewalt

( 1 ) Liegt ein begründeter Verdacht auf sexualisierte Gewalt oder einen Verstoß gegen das Abstinenzgebot vor, haben Mitarbeitende diesen unverzüglich der Meldestelle nach § 7 Absatz 3 Nr. 5 zu melden. Sie haben das Recht, sich jederzeit zur Einschätzung eines Verdachts von der Ansprech- und Meldestelle beraten zu lassen.
( 2 ) Arbeits- und dienstrechtliche Pflichten, insbesondere aus dem Seelsorgegeheimnisgesetz, bleiben unberührt. Im Übrigen gilt § 7 Absatz 4 Satz 2.
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§ 9
Anerkennungskommission

( 1 ) Um Betroffenen, die sexualisierte Gewalt durch Mitarbeitende erfahren haben, Unterstützung anzubieten, richtet die Evangelische Kirche im Rheinland gemeinsam mit der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche und dem Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e. V. eine Anerkennungskommission ein, die auf Wunsch Betroffener Gespräche führt, ihre Erfahrungen und Geschichte würdigt und Leistungen für erlittenes Unrecht zuspricht. Die Anerkennungskommission ist eine unselbständige Einrichtung der Evangelischen Kirche im Rheinland. Die Geschäftsführung der Anerkennungskommission übernimmt das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e. V. Die Anerkennungskommission nimmt ihre Aufgaben unabhängig wahr und ist nur an Recht und Gesetz gebunden. Die beteiligten Landeskirchen können Durchführungsbestimmungen erlassen, in denen insbesondere das Besetzungsverfahren, die Anzahl der Mitglieder sowie die Dauer der Mitgliedschaft in der Anerkennungskommission geregelt werden.
( 2 ) Die Arbeit der Anerkennungskommission richtet sich nach der Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Anerkennung sexualisierter Gewalt (Anerkennungsrichtlinie-EKD) vom 21. März 2025 (ABl. EKD S. 53) in der jeweils geltenden Fassung, soweit durch oder aufgrund dieses Gesetzes nichts Abweichendes geregelt wird.
( 3 ) Die Leistungen, die durch die Anerkennungskommission zugesprochen werden, erfolgen freiwillig ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne dass durch die Entscheidung der Anerkennungskommission ein Rechtsanspruch begründet wird. Bereits erbrachte Unterstützungsleistungen, insbesondere nach kirchlichen Regelungen, sollen angerechnet werden.
( 4 ) Die kirchliche oder diakonische Einrichtung, in der die sexualisierte Gewalt stattgefunden hat, soll sich an der Unterstützungsleistung beteiligen.
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§ 10
Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission

( 1 ) Gemeinsam mit der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche und dem Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e. V. gründet die Evangelische Kirche im Rheinland die „Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission Verbund West“. Die „Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission Verbund West“ ist eine unselbständige Einrichtung der Evangelischen Kirche im Rheinland. Die Geschäftsführung der „Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission Verbund West“ erfolgt durch das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e. V.
( 2 ) Die „Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission Verbund West“ hat insbesondere folgende Aufgaben:
  1. Quantitative Erhebung von Fällen sexualisierter Gewalt, um deren Ausmaß in den beteiligten Landeskirchen und den Gliederungen der diakonischen Landesverbände zu erkennen,
  2. Qualitative Analysen zur Identifikation von Strukturen, die sexualisierte Gewalt ermöglichen, erleichtern, deren Aufdeckung erschweren oder dies in der Vergangenheit getan haben,
  3. Untersuchung und Evaluierung des administrativen Umgangs mit Betroffenen, Täterinnen und Tätern bzw. Beschuldigten und weiteren Beteiligten in den beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden,
  4. Ermöglichung der individuellen Aufarbeitung Betroffener,
  5. Unterstützung, Evaluierung und Beratung der beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbände im Hinblick auf die institutionelle Aufarbeitungspraxis und die unabhängige Aufarbeitung konkreter Fälle sowie deren quantitative und qualitative Analyse.
( 3 ) Die „Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission Verbund West“ gibt sich im Benehmen mit den beteiligten Landeskirchen und dem Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e. V. eine Geschäftsordnung.
( 4 ) Die „Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission Verbund West“ ist befugt, personenbezogene Daten im Sinne von § 4 Nummer 1 und besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von § 4 Nummer 2 Buchstabe a) bis f) des Kirchengesetzes über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Absatz 2 erforderlich ist.
( 5 ) Die personenbezogenen Daten nach Absatz 4 sind zehn Jahre aufzubewahren. Sie können für eine angemessene Frist länger verarbeitet werden, wenn und soweit dies für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist, jedoch nicht länger als dreißig Jahre.
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§ 11
Verordnungsermächtigung

Der Landeskirchenrat kann Einzelheiten zur Durchführung dieses Kirchengesetzes durch Verordnung regeln, insbesondere
  1. die organisatorische Ausgestaltung der Melde- und Ansprechstelle
  2. die Ausgestaltung der Fortbildungsverpflichtung nach § 6 Absatz 5.
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§ 12
Berichtspflicht und Evaluation

( 1 ) Der Landessynode und der Kirchenleitung ist regelmäßig über die Entwicklung der Präventions- und Interventionsarbeit innerhalb der Lippischen Landeskirche zu berichten.
( 2 ) Drei Jahre nach Inkrafttreten ist dieses Gesetz zu evaluieren.
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§ 13
Übergangsregelung

( 1 ) Die nach § 9 Absatz 1 des Kirchengesetzes zum Schutz vor sexualisierte Gewalt der Lippischen Landeskirche vom 23. Januar 2021 (Ges. u. VOBl. Bd. 17 Nr. 7 S. 245), zuletzt geändert durch Kirchengesetz vom 15. November 2021 (Ges. u. VOBl Bd. 17 Nr. 11 S. 427), eingerichtete Unabhängige Kommission bleibt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2025 bestehen.
( 2 ) Verfahren, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2025 nicht abschließend von der Unabhängigen Kommission entschieden wurden, werden ab dem 1. Januar 2026 von der Anerkennungskommission fortgeführt.
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§ 14
Inkrafttreten

Dieses Kirchengesetz tritt am 1.März 2021 in Kraft.

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1 ↑ red. Anm.: Inkrafttreten zum 16. Januar 2022